Susan Sontag.
Sehen und gesehen werden

Aktuelle Ausstellung in der Bundeskunsthalle, Bonn


Susan Sontag, geboren 1933 in New York und dort 2014 auch gestorben, hat sich ihr gesamtes Leben lang intensiv mit visuellen Medien beschäftigt. Sie erkannte den bestimmenden Einfluss von bewegten Bildern und von Fotografien. Der Akt des Fotografierens war für sie mehr als nur passives Beobachten. „Fotografien sammeln heißt die Welt sammeln“, so äußerte sie sich in ihrem bereits 1977 veröffentlichten Werk „On Photography“. Und in ihrem Buch „Das Leiden anderer betrachten“ (2003) wies sie auf die Gefahren einer visuellen Abstumpfung durch die Betrachtung von Kriegs- und Gräuelfotografien hin.


Auch wenn die aktuelle Ausstellung in der Bundeskunsthalle den Schwerpunkt auf ihre Leidenschaften als Filmbegeisterte sowie als Sammlerin und Kritikerin von Fotografien setzt, so handelt es sich bei der amerikanischen Intellektuellen doch auch um eine weltbekannte Kritikerin, Essayistin und Autorin, die sich gesellschaftskritisch eingemischt und ihre Stimme erhoben hat. Sie schrieb für renommierte Verlage in den USA und machte mit ihren Texten auch europäische Autorinnen und Autoren in den USA bekannt. Sie trat auch als Theaterautorin und -regisseurin in Erscheinung. Ihr Theaterstück „Alice im Bett“ wurde 1991 in Bonn aufgeführt. Ein Stück über die Rolle von Frauen, die sich aus ihrer gesellschaftlich zugewiesenen Rolle befreien müssen.


Sontag galt nicht unbedingt als Feministin: Ähnlich wie Hannah Arendt, mit der sie gut bekannt war, ordnete sie sich der Gruppe der „Menschen“ zu. Sie setzte sich öffentlichkeitswirksam für die Menschenrechte ein. Außerdem nutzte sie ihre Stimme als eine der einflussreichsten Intellektuellen ihres Landes. Ihr Sehnsuchtsort wurde jedoch Paris, wo sie sich in der Runde der Existenzialistinnen und Existenzialisten besonders wohlfühlte. 1967 wurde sie als Aktivistin gegen den Vietnamkrieg verhaftet.


Aufgrund ihres damaligen Rufs als junge intellektuelle Autorin mit Glamourfaktor wurde sie oft zu internationalen Veranstaltungen eingeladen. Sie nahm an Konferenzen des PEN International teil und gehörte neben u.a. Edie Sedgwick und Lou Reed zu den Berühmtheiten, die Andy Warhol für seine Screen Tests auswählte.

Die Rolle der Ästhetik bleibt umstritten


In ihrer Auseinandersetzung mit der Welt des Glamours und des Scheins stellte sich Sontag die Frage, ob sinnliche Wahrnehmung von Ästhetik und Design auch ohne moralische Komponente denkbar und vertretbar ist. Es ging ihr dabei um neue Erlebnisweisen. Sie setzte sich mit Oscar Wilde und seinem Dandytum auseinander und suchte nach einer Darstellung ohne Maßlosigkeit, Künstlichkeit oder Übertreibung. Dabei ging es ihr nicht nur um die intellektuelle Verarbeitung, sondern vor allem um die Gefühle. „To pay attention to the world“ beschreibt die Bonner Ausstellung als ein Lebensmotto.


Als Aktivistin nutzt sie ihre Stimme


Die thematisch geordneten Räume der Ausstellung bieten ein Kennenlernen und eine Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit Sontag, die sehen und gesehen werden wollte, indem sie ihre Gedanken in Texte wandelte, reflektierte und sie immer wieder zeitgemäß anpasste.


Sie reiste nach Nordvietnam und setzte sich bei Protestaktionen gegen den Vietnamkrieg ein. Ein Comeback von Leni Riefenstahl hat sie möglicherweise mit ihrem Essay „Faszinierender Faschismus“ vereitelt.


Genau diese kritischen Bewertungen von Bildern, die politische Kraft entfalten können und zu Propagandazwecken missbraucht wurden, geben der Bonner Ausstellung eine gewisse Brisanz und Aktualität. Wie würde sich Susan Sontag heute über die Möglichkeiten der Bildgenerierung durch künstliche Intelligenz (KI) äußern? Welche Gefahren sähe sie darin, dies mit aktueller Kriegsberichterstattung zu verknüpfen. Ihre persönliche Meinung dazu werden wir leider nicht mehr konkret erfahren können, dennoch lohnt sich der Besuch der Ausstellung aus vielerlei Gründen: nicht nur für Frauen, die dem Spirit dieser autonomen Frau nahe sein wollen, sondern für alle Menschen, die ihren kritischen Verstand benutzen wollen – auch oder gerade dann, wenn die Zeiten wieder finster zu werden drohen.


Weitere Informationen:


Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn:


Susan Sontag. Sehen und gesehen werden


März bis 28. September 2025

Jeden Sonntag mit Einführung ab 12.00 Uhr


https://www.bundeskunsthalle.de/susan-sontag

von Beatrix Auguste Sieben 24. April 2025
Wahrheit gibt es nur zu zweien – Austausch schärft den eigenen Blick
von Beatrix Auguste Sieben 21. April 2025
Am Mittwoch, dem 26. März 2025, fand im Dreikönigenhaus in Koblenz die ISSO-Auftaktveranstaltung zur diesjährigen Seminarreihe „Mit Empathie gegen Rassismus“ statt. Der Abend widmete sich der Rolle von Sprache in gesellschaftlichen Strukturen, bei der Bildung von (Vor-)Urteilen und als Instrument im Kontext von Machtverhältnissen oder politischer Stimmungsmache. Nach drei Impulsvorträgen wurden die unterschiedlichen Perspektiven der Referierenden in einer Podiumsdiskussion beleuchtet. Dabei ging es vor allem auch darum, die Vorgehensweise von Populistinnen und Populisten zu erkennen, die Geschichten als Heilsversprechen bewusst platzieren, um unsere Gedanken, Meinungen und Positionen dauerhaft zu beeinflussen.
von Beatrix Auguste Sieben 10. April 2025
von Beatrix Auguste Sieben 23. März 2025
Buchrezension: Faschismus. Eine Warnung von Madeleine Albright
von Beatrix Auguste Sieben 2. März 2025
sie suchen Leute aus, die sogar mehr draufhaben als sie selbst und die auch anders ticken als sie selbst; sie sind offener für Minderheiten und Frauen; sie entscheiden aus dem Bauch heraus, wen sie fördern; sie passen den Job den Talenten an und suchen nicht für bestimmte Stellenprofile die idealen Kandidaten; sie haben hohe Erwartungen an den Nachwuchs und geben ihm viel Verantwortung; sie akzeptieren, wenn die Topleute auch wieder gehen (was dem Image des „Super-Bosses“ gar nicht schadet, weil alle ohnehin bei ihm arbeiten wollen); sie halten auch danach noch Kontakt, fungieren also auch später noch als Mentor, selbst wenn die Betroffenen längst selbst erfolgreich sind.  Eine Checkliste für ganz normale Führungskräfte? Warum nicht: Dazu braucht es lediglich das Vertrauen in die eigene Stärke. Aber vermutlich unterscheidet genau das die wahren Führungspersönlichkeiten vom Rest. *Sydney Finkelstein ist Professor für Management und Leiter des Tuck Executive Programm an der Tuck School of Business am Dartmouth College in New Hampshire. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Strategieentwicklung und Entscheidungsprozesse sowie Personalführung Kommentar von Beatrix Sieben: Mit Blick auf den amtierenden US-Präsidenten ist es erfreulich, dass es auch andere Führungs- und Erfolgskonzept gibt.
von Beatrix Auguste Sieben 10. Februar 2025
Die Lösung (1953) Nach dem Aufstand des 17. Juni Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands In der Stalinallee Flugblätter verteilen Auf denen zu lesen war, daß das Volk Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe Und es nur durch verdoppelte Arbeit Zurückerobern könne. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung Löste das Volk auf und Wählte ein anderes?
von Beatrix Auguste Sieben 20. Juni 2024
Buchrezension: Die Heldin reist von Doris Dörrie 
von Beatrix Auguste Sieben 3. Juni 2024
Starke Frauen an die Macht – sollten Frauen die Welt regieren?
Weitere Beiträge