„Kann man Bücher verbrennen?“ überschrieb Erich Kästner eine Rede, die er am 9. Mai 1947 gehalten hat: Wir blicken zurück ins Jahr 1933. Nach einer Aufforderung über die Tagespresse sollten die damaligen Studierenden ihre Bücherschränke sichten, aber auch die Bevölkerung wurde aufgerufen und ein besonderer Appell ging an die Leih- und Volksbüchereien. So liest man es in der Rede „Zum Jubiläum einer Schandtat“ – so der Untertitel –, und mehr erfährt man durch seine Rede „Über das Verbrennen von Büchern“ vom 10. Mai 1953:
„Die Zahl der Autoren, deren Bücher verbrannt wurden, ging in die Hunderte. […] Die Feuer brannten. Auf dem Opernplatz in Berlin. Auf dem Königsplatz in München. Auf dem Schlossplatz in Breslau. Vor der Bismarcksäule in Dresden. Auf dem Römerberg in Frankfurt. Sie loderten in jeder deutschen Universitätsstadt. […] Das geistige Deutschland brachte sich und den deutschen Geist um. Es war Mord und Selbstmord in einem.“
Kästner bezeichnet diese Bücherverbrennung als eine „windige Teufelei“, die so ganz nach Goebbels Geschmack war, denn nicht der Plebs, sondern die geistige Elite führte sie aus. Mit ihrer persönlichen Beteiligung am Auslöschen von Literatur und der damit verbundenen Freiheit eines Schriftstellers, „richteten die deutschen Studenten ihre eigenen Ansprüche auf jede künftige Meinungsfreiheit hin“.
Kästner berichtet über sein Erlebnis als Augenzeuge des „apokalyptischen Volksfest[es]“, bei dem er als Chronist zusammen mit einem Freund einem Marsch mit Uniformen und Gesang und vollgeladenen Lastwagen von Büchern vom Lehrter Bahnhof, dem heutigen Berliner Hauptbahnhof, bis zum Opernplatz folgte. Er berichtet auch über eine trübe Stimmung der Studenten, die nicht ganz zu der erwünschten Jubelstimmung passen wollte, und schlussfolgerte, dass sie das Verbrennen von Büchern nach dem öffentlichen Kommando erst noch lernen mussten.
Und er kommt schon 1947 zu dem Schluss:
„Mit solchen Methoden kann man zwar ein Volk vernichten, Bücher aber nicht. Sie sterben nur eines natürlichen Todes. Sie sterben, wenn ihre Zeit erfüllt ist. Man kann von ihrem Lebensfaden nicht eine Minute abschneiden, abreißen oder absengen. Bücher, so wissen wir heute, kann man nicht verbrennen.“