Wassergeräusche können entspannend sein – aber nicht immer, oder?

Wie klingt ein entspannendes Wassergeräusch? Ein tropfender Wasserhahn ist es eher nicht, oder vielleicht nur für eine kleine Weile, dann wird dieses monotone Geräusch sehr schnell nervig. Somit stellt sich die Frage, ob es überhaupt Wassergeräusche gibt, welche von uns Menschen universell als entspannend erlebt werden: Sind es die zarten Regentropfen, die sanft an unsere Fenster klopfen, oder ist es der Springbrunnen, der leise plätschert, im Innenhof eines Anwesens? Stellen wir uns ein über Steine springendes kleines Bächlein vor? Welche Geräusche erinnern Sie zu diesem Thema? Hört es sich an wie ein leises Plätschern, ein zartes Murmeln, ein lustiges Glucksen? Es gibt vielleicht auch noch Begleitgeräusche, wie raschelnde Blätter von ufernahen Bäumen. Vielleicht hört es sich aber auch an, wie im ersten Satz von Smetanas Musikstück „Die Moldau“, wenn die Quelle ganz sacht vor sich hinplätschert, bevor aus dem Rinnsal ein Flüsschen und dann ein Fluss wird.


Menschen, die am 14. Juli 2021 die Ahr-Flut miterlebt haben, werden wahrscheinlich ganz andere Geräuscherinnerungen verinnerlicht haben. Für sie wurde aus dem grundsätzlich entspannenden Säuseln und Gluckern des Flusses und dem Tröpfeln des Regens gegen Fensterscheiben etwas unvorhersehbar Dramatisches und absolut Bedrohliches. Hier entstand das Klangbild einer Katastrophe.


Lena Frings fragt sich in ihrem Artikel in der Zeit vom 10. Juli 2025 – also genau vier Jahre danach –, worauf man achten müsse, wenn man die Klimakrise vertonen wollte. Ein Hörspiel der Klimakrise, so ihre Gedanken, könnte an jenem Fluss beginnen, an dem sie aufgewachsen ist: an der Ahr.


Klangbilder können bedrohlich klingen


Innerhalb weniger Stunden führte das kleine Flüsschen, welches in Blankenheim in der Eifel entspringt und in Sinzig in den Rhein fließt, unvorstellbare Wassermassen mit sich, in denen große Gegenstände fortgerissen und wegtransportiert wurden: Baufahrzeuge, Brückenpfeiler, Baumstämme, Teile von Häusern, Grabsteine. Daraus ergeben sich sehr unterschiedliche laute und auch leise Geräusche.


„Ein Auto strudelt, verschwindet, verstummt“, Lena Frings lässt Max Bauer, einen professionellen Geräuschemacher, zu Wort kommen. „Ein kleines Säuseln und Rauschen hat ja grundsätzlich etwas Beruhigendes. Aber wenn aus einem kleinen Geräusch ein großes Drama entstanden ist – dann gehört es danach zusammen“, sagt Bauer und nennt dies „ein heterogenes Klangbild“.


Manche Menschen hören heute noch immer das Rauschen der Ahr in der Flutnacht. Auch vier Jahre später noch. Auch dann, wenn sie den Fluss nicht bis in ihre eigene Wohnung haben hören können. Die Geräusche sind da. Imaginiert oder erlebt, das macht wenig Unterschied. Andere blicken besorgt in den Himmel, wenn es länger als einige Minuten regnet oder der Regen heftig gegen das Fenster oder vor ihre Füße prasselt.


Mit solch einem beängstigenden Erlebnis wie der Ahr-Flut ist für die Anwohnenden und die Opfer ein ganz anderes Empfinden entstanden. In ihren Köpfen konkurrieren diese Eindrücke und ihr Nachhall nun mit früheren Bildern, zum Beispiel aus der Kindheit. Bilder, bei denen Regen vielleicht eine schöne Unterbrechung einer eiligen Geschäftigkeit darstellte und so zu einer Gelegenheit wurde, bei der entweder Regenjacke und Gummistiefel herausgeholt wurden, um in oder über Pfützen zu springen, oder bei der sich ein gemütlicher Rückzug ergab, zum Beispiel eingehüllt in eine kuschelige Wolldecke, um erst dem Regen und dann vielleicht auch einer Geschichte zu lauschen oder ein Buch zu lesen.


Die neuen Erlebnisse überschreiben die vorherigen Erinnerungen. Es entsteht eine dramatisch anders geprägte Erfahrung.

Lernen bedeutet auch, sich vor Gefahren zu schützen


Um uns vor Gefahren zu schützen, sind wir lernbereit, wir ver- und überarbeiten unsere Erfahrungen immer wieder neu. Solch eine emotional aufregende, ja sogar lebensbedrohliche Erfahrung verlernen wir nicht direkt wieder – vielleicht sogar nie mehr! Das braucht Zeit und wiederum überlagernde positive Erlebnisse. Manchmal helfen auch Gespräche, damit unsere Ängste abgebaut werden können und sich neben den Hirnregionen, die vornehmlich für die Bearbeitung von Emotionen verantwortlich sind, auch diejenigen wieder dazuschalten, bei denen die Vernunft das Sagen hat. Für manche Menschen bleiben diese Ängste ein Leben lang dominant, sie werden immer wieder wachgerufen – „getriggert“, wie die Fachleute sagen – durch Reize, die durch unsere Sinneseindrücke vermittelt werden. Neben den Geräuschen können das auch Bilder oder Gerüche sein. Im Falle der Ahr-Flut erreichten die donnernden Fluten und das aufsteigende Wasser viele Menschen erst am Abend und in der Nacht, daher dominieren die Geräusche. Die haben sich eingeprägt. Die Bilder wurden von der Dunkelheit verschluckt. Die Klimakrise hatte schon unterschiedliche sprechende Bilder, wie brennende Wälder, schmelzende Gletscher und auch Fluten. Die Geräusche wurden nicht immer vergleichbar beachtet. Doch auf unser Gehirn haben sie denselben Einfluss.


Menschen, die im Ahrtal geblieben sind und weiterhin dort leben, sind möglicherweise an dieser Erfahrung gewachsen. Manche von ihnen benötigen bis heute Unterstützung durch Gesprächstherapien. Sie verdienen unseren Respekt. Viele von ihnen haben wochenlang – oder auch bedeutend länger – geschuftet, um den Wiederaufbau zu bewerkstelligen, haben vielleicht auch Angehörige oder Freunde verloren und betrauert.


Es gab seit 2021 schon viele weitere Naturkatastrophen, über die in den Medien berichtet wurde. Und es wird leider weitere geben, von denen wir hören oder lesen werden. Das Erinnern hilft auch der Verarbeitung solcher Krisen. Erinnerungskultur ist eine besondere Ausdrucksform von Empathie, drückt unseren Respekt und unsere Wertschätzung aus und verhindert ein klein wenig, dass sich die Menschen, die betroffen sind, alleingelassen fühlen.


Weitere Informationen:


https://www.zeit.de/2025/29/flut-ahrtal-trauma-trigger-katastrophe/seite-3


https://reportage.wdr.de/chronik-ahrtal-hochwasser-katastrophe


https://www1.wdr.de/nachrichten/vergleich-texas-guadalupe-ahrtal-flut-100.html


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